Der Brief von Paix Liturgique
 
 

Inhalt unseres Briefes 16 vom 19 Juli 2011
 
 
Auch in der Schweiz machen die "Stillen in der Kirche" keinen Lärm.
 
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Auch in der Schweiz machen die "Stillen in der Kirche" keinen Lärm.
 
Die Auswertung einer neuen internationalen Überprüfung von Paix Liturgique bringt das tiefe Ungleichgewicht der Kirche in der Schweiz ans Licht. 61% der Schweizer Katholiken haben keinerlei Kenntnis von dem Motu Proprio „Summorum Pontificum“…

Im letzten März hat das demoskopische Institut unter 2009 Einwohnern (ausschließlich bei deutsch- und französischsprachigen Schweizern) eine Telefonumfrage für Paix Liturgique durchgeführt, von denen sich 722 (36 Prozent) als katholisch bezeichneten. Unser französischer Brief hat die Resultate in seiner Ausgabe Nummer 280 veröffentlicht. Sie zeigen vor allem auf, dass es auch in der Schweiz einen großen Anteil von Katholiken gibt, die zu einer Erneuerung bereit sind– eine liturgische eingeschlossen – wie sie der Heilige Vater wünscht.

Gleichzeitig haben sie Probleme, sich bei den kirchlichen Institutionen Gehör zu verschaffen, die dem progressistischem Diktat unterworfen sind. Bevor wir uns in einem zweiten Teil der Anziehungskraft der außerordentlichen Form in der Schweiz zuwenden, geht es im ersten Teil unserer Umfrage im Einzelnen um das unglaubliche Chaos, das in der Schweizer Kirche herrscht.


I – Ein Katholizismus in der Krise

Die Schweiz besteht aus sechs Diözesen und zwei territorialen Abteien, deren Prälaten zur Schweizer Bischofskonferenz (SBK) gehören. Geschichtlich von seiner Beziehung mit den reformierten Gemeinschaften und seiner Neigung zum Ökumenismus geprägt, ist der Schweizer Katholizismus auch bekannt für seine besondere Beziehung zum Papsttum (man denke nur an die Schweizer Garde, die von den katholischen Kantonen gestellt wird), seine relative Abhängigkeit von den kantonalen politischen föderalen Institutionen aufgrund seines dualistischen Systems (1) und in jüngerer Zeit durch ein stärkeres Sich-Herauskristallisieren nachkonziliarer Spannungen. In der Schweiz ist heute, wie auch in Deutschland und Frankreich, der Katholizismus stark von der Säkularisierung gezeichnet. Der Anteil der Praktizierenden liegt unter 10% und die Zahl der Berufungen ist dramatisch gesunken.

Ökumenismus ist heute weniger in Mode und wird von der Frage des „Dialog mit dem Islam“ überholt, die Verbindung mit Rom ist weniger lebendig als in der Vergangenheit, die nachkonziliaren Spannungen charakterisieren weiterhin die Lokalkirche. In Lugano hat sich der amtierende Bischof in einem Pastoralbrief des Jahres 2006 dafür ausgesprochen, zivil geschiedene und wiederverheiratete Menschen zum Empfang der Eucharistie zuzulassen, gleichzeitig vermehrte er die Hindernisse bei der Umsetzung des Motu Proprio „Summorum Pontificum“. In Chur, einer Diözese, die sieben vorwiegend deutschsprachige Kantone inklusive Zürich umfasst, versuchen die kirchlichen und Laienhierarchien, den Kopf des momentanen Bischofes Huonder (den Benedikt XVI. 2007 ernannt hat) rollen zu sehen, weil er „zu konservativ“ sei. 1997 verursachte dieselbe Hierarchie mit Unterstützung der politischen Kräfte den Sturz des damaligen Bischofs Haas, den Rom schließlich in Liechtenstein eingesetzt hat. Auf der französischsprachigen Seite hat Rom noch keinen Nachfolger für Msgr. Genoud ernannt, den Bischof von Lausanne, Genf und Fribourg, der letzten September verfrüht gestorben ist. Laut Schweizer Presseberichten wurden die ersten beiden „terna“ (drei Namensvorschläge für das Bischofsamt), die vom Nuntius der Bischofskongregation vorgeschlagen worden waren, verworfen, ein Beweis für die Schwierigkeit, dieses Amt in der krisengeschüttelten Diözese zu besetzen. Schließlich ist der Schweizer Katholizismus auch der von Écône. Es ist wirklich schwierig, vom Katholizismus in der Schweiz zu sprechen ohne zu erwähnen, dass die Priesterbruderschaft Pius X. hier ihren Sitz hat und dass die Petrusbruderschaft hier gegründet wurde…


II – Die außerordentliche Form in der Schweiz

Es gibt auf diözesanem Niveau in der Schweiz heute ungefähr vierzig Messorte für die außerordentliche Form. 22 bieten die wöchentliche Sonntagsmesse an, meistens zu einer familienfreundlichen Zeit (zwischen 9 Uhr und Mittag). Vier bieten eine regelmäßige, aber nicht wöchentliche Sonntagsmesse. Die restlichen 15 Orte bieten nur Wochentagsmessen an, manche jede Woche, andere in größeren Abständen. Fast die Hälfte dieser Orte wird von der Petrusbruderschaft betreut, die gleichermaßen in der deutsch- wie in der französischsprachigen Schweiz präsent ist. In der Diözese Chur gibt es dreizehn Messorte, von denen fünf eine wöchentliche Sonntagsmesse anbieten (zwei im Kanton Zürich, zwei in Schwyz und eine in Grisons). Von Seiten der FSSPX gibt es 31 Messorte mit 24 wöchentlichen Sonntagsmessen. Zwei dieser Orte liegen in der Diözese Chur, womit die Zahl der traditionellen Messen in dieser geplagten Diözese bei 15 liegt… Nicht schlecht, aber nicht genug, um ein Recht dazu zu haben, in das diözesane Konzert mit einzustimmen…

„Nicht schlecht, aber nicht genug“, so könnte der Kommentar lauten, der uns in den Sinn kommt, um die Situation der außerordentlichen Form in der Schweiz zusammenzufassen. Dafür gibt es eine Erklärung, und die liegt in der Haltung der Schweizer Bischofskonferenz (SBK). In der Schweiz wie auch andernorts haben die Bischöfe sich zum Ziel gesetzt, die Wirkungsweite des päpstlichen Textes einzugrenzen, indem sie „Direktiven“ für seine Umsetzung erlassen. Die 277. ordentliche Versammlung der SBK vom 10.-12. September 2007, am Vorabend des Inkrafttretens des Motu Proprios (14. September 2007), hat erklärt, dass eine Genehmigung des Bischofs nötig sei, damit ein Priester die außerordentliche Form des Ritus feiern dürfe. Genau darum geht es, wenn der 5. Artikel von Summorum Pontificum, der von Artikel 7 vervollständigt wird, spezifisch festlegt, dass die Genehmigung des Pfarrers nötig sei und die Bischöfe nur als zweite Instanz intervenieren sollten, wenn der Pfarrer sich weigere. Der Bischof wird in einem solchen Fall sogar „nachdrücklich dazu aufgefordert, dem Wunsch nachzukommen“.

Mit diesen, bei den Schweizer Gläubigen nur wenig bekannten, allerdings von der diözesanen Maschinerie, Laien wie Geweihten, perfekt verstandenen Direktiven, (Bischof Huonder hatte keine Stimme, weil er das erste Mal dabei war), wurde der Sinn des päpstlichen Textes absichtlich im Sinne einer Rückkehr zu den Bestimmungen des Motu Proprio Ecclesia Dei von 1988 verdreht. Darum ist es keine Überraschung, dass 61% der Schweizer Katholiken erklärt haben, das Motu Proprio Summorum Pontificum nicht zu kennen… Dennoch sieht die Sache bei den stillen Katholiken anders aus. Unsere Umfrage erlaubte es ihnen, sich zu äußern. Sie zeigt einmal mehr, dass die alt-konziliaren Bischöfe wieder einmal auf ganzer Linie falsch liegen.


III – Die Resultate der demoskopischen Umfrage

Die folgenden Resultate betreffen 722 Schweizer Bürger, die sich von den 2009 vom Démoscope –Institute im März 2011 telefonisch Befragten (CATI Methode) selber als katholisch bezeichnen. Um der demographischen Gewichtung bezüglich der französisch- und deutschsprachigen Schweizer gerecht zu werden, hat uns Démoscope die Daten mit korrigierten und abgerundeten Zahlen zur Verfügung gestellt.

Frage 1: Gehen Sie zur Messe?
Jeden Sonntag: 8%
Monatlich: 12%
An vorgeschriebenen Festtagen: 19%
Bei Gelegenheit (Hochzeiten etc.): 41%
Niemals: 19%
Kein Antwort: 1%

Die Resultate der Fragen 2,3 und 4 beziehen sich nur auf die Katholiken, die mindestens monatlich an der Messe teilnehmen (ersichtlich aus den Ergebnissen der Frage 1). Man kann die gesamten Resultate der Umfrage in der Schweiz auf der Webseite von Paix Liturgique nachlesen.

Frage 2: „Im Juli 2007 hat Papst Benedikt XVI. daran erinnert, dass die Messe in beiden Formen, der modernen, die auch als „ordentliche“ oder „Pauls VI.“ bekannt ist, in der Landessprache mit dem Priester, der den Gläubigen zugewandt ist und wo die Kommunion im Stehen empfangen wird, und der traditionellen, der „außerordentlichen“ oder „Johannes‘ XXIII.“, auf Lateinisch mit gregorianischem Choral, der Priester dem Altar zugewandt und der knienden Mundkommunion, zelebriert werden kann. Wussten Sie das?“
Ja: 56%
Nein: 42%
Kein Angabe: 2%

Frage 3: „Fänden sie es normal oder unnormal, wenn beide Formen des römischen Ritus regelmäßig in ihrer Pfarrei gefeiert würden?“
Normal: 41%
Unnormal: 50%
Kein Angabe: 9%

Frage 4: „Wenn die Messe auf Lateinisch mit gregorianischem Choral in ihrer außerordentlichen Form in ihrer Pfarrei gefeiert würde, ohne die ordentlichen Form in der Landessprache zu verdrängen, würden Sie daran teilnehmen?“
Jeden Sonntag: 16%
Monatlich: 19%
An vorgeschrieben Festtagen: 10%
Bei Gelegenheit (Hochzeiten etc.): 21%
Niemals: 32%
KA: 2%


IV – Kommentar von Paix Liturgique

A) Diese neue Studie, die entsprechend gängiger wissenschaftlicher und professioneller Normen durchgeführt wurde, bestätigt wieder einmal, was die bereits durchgeführten Umfragen aufgezeigt haben: Trotz der sehr starken Polarisierung der Kirche in der Schweiz und dem Lärm, der von „kritischen Katholiken“ gemacht wird, würde ein beachtlicher Teil der Gläubigen (35%) regelmäßig an der außerordentlichen Form des römischen Ritus teilnehmen; das bedeutet, mindestens einmal im Monat, wenn sie in ihrer Pfarrei zelebriert oder einfach gesagt, das Motu Proprio umgesetzt werden würde…

B) 42% der praktizierenden Schweizer Katholiken haben noch nichts von dem Motu Proprio Papst Benedikts XVI. gehört… nahezu vier Jahre nach seiner Veröffentlichung (ein Prozentsatz, der 61% betrüge, wenn es um alle Personen ginge, die sich als katholisch bezeichnen). Diese Zahl, die mit der in Portugal vergleichbar ist, ist die Konsequenz des „Gesetzes des Schweigens“, das hinsichtlich der traditionellen Liturgie in der Schweiz herrscht. Dieses Schweigen spricht selber Bände über die mangelnde Bereitschaft der Schweizer Bischöfe, die Gläubigen über das Motu Proprio von Papst Benedikt XVI. zu informieren.

C) Diese Umfrage beweist wieder einmal, dass, die Frage des Motu Proprio unter dem Gesichtspunkt einer ausdrücklichen Nachfrage zu betrachten, eine Fehlinterpretation des Bestrebens der Gläubigen darstellt, wenn nicht sogar ein illoyales Vorgehen, das auf nichts anderes abzielt als die Anwendung des Textes Benedikts XVI. zu blockieren. Mit Blick auf die Haltung der Schweizer Bischofskonferenz vom September 2007, die Möglichkeit eines Priesters, die außerordentliche Form des römischen Ritus zu zelebrieren, der bischöflichen Genehmigung zu unterwerfen, und mit Blick auf die lächerlich niedrige Anzahl der Gläubigen in der Schweiz, die von dem Motu Proprio Kenntnis haben, sollten wir das Recht haben, mit dem Finger auf die Verantwortlichkeit des Schweizer Episkopats bei diesem „Untergraben“ des päpstlichen Textes zu zeigen.

D) Unsere nächste internationale Umfrage ist bereits in Arbeit, sie wird sich mit Spanien befassen. Wenn sie bei der Finanzierung mithelfen möchten und uns damit ermöglichen, unseren Informationsdienst weiter zu führen, bitten wir Sie um eine Spende unter:
Paix liturgique, 1 allée du Bois Gougenot, 78290, Croissy-sur-Seine, Frankreich
IBAN: FR76 3000 3021 9700 0500 0158 593
BIC/SWIFT: SOGEFRP


(1) Die Besonderheit der Schweiz besteht darin, dass die Gläubigen und Priester „in Volksnähe“ die von föderalen Institutionen garantierte Möglichkeit haben, Stiftungen zu gründen, die die Pfarrei regieren und Kirchensteuer einziehen können. Dieses dualistische System, das besonders in den deutschsprachigen Kantonen verbreitet ist, verhilft den engagierten Laien zu großer Macht, weil sie einen Teil des diözesanen Budgets kontrollieren. Viele Pressure Groups, wie die Union der kritischen Katholiken in der Diözese Chur, haben in einem ausschließlich progressistischen Sinn bei der pastoralen, liturgischen und lehramtlichen Orientierung viel zu sagen. Sie sind es, die gegen Bischof Haas 1997 gewannen, indem sie soweit gingen, die Seminarkosten der Diözese zu boykottieren…
 

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